Mit dem Fahrrad zur Grundschule – in Gelsenkirchen leider unerwünscht

…oder wie die Frage nach Fahrradständern an einer Grundschule eine Debatte um die Verkehrswende in Gelsenkirchen ausgelöst hat.

Vorwort
Zuerst einmal etwas zu meiner Person, für alle die mich nicht kennen. Ich heisse Björn Sengotta, ich bin 38 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern die derzeit die erste und vierte Klasse der Grundschule besuchen. Ich wohne mein ganzes Leben bereits in Gelsenkirchen, und ich durchstreife die Stadt auch auf dem Rad. Das „gerne“ im vorherigen Satz habe ich bewusst ausgelassen. Man kann also kaum sagen, ich wüsste nicht was in der Stadt vor sich geht. Den Wandel, nicht immer zum guten, in Gelsenkirchen sehe ich ihn jeden Tag.

Der Stein des Anstoßes
Kommen wir also zum eigentlichen Thema, nämlich Fahrradständern an Grundschulen und was das mit der Verkehrswende zu tun hat.

Wie hat die Geschichte angefangen? Eigentlich ganz unschuldig. Im Sommer 2021 fragte ich bei der Klassenlehrerin meiner ältesten Tochter nach, warum es an der Schule eigentlich keine Fahrradständer gäbe. Ich wäre nämlich gerne an den schönen Sommertagen zusammen mit meiner Tochter mit dem Rad zur Schule gefahren, wollte dieses aber nicht am Schulzaun anschließen. Mir war die Gefahr eines Diebstahls zu hoch und ich wusste auch nicht, wie lange die Schule dies tolerieren würde.

Die Antwort unserer Klassenlehrerin, nach Rücksprache mit der Schulleitung, war ernüchternd. Es gäbe versicherungstechnische Probleme. Damit habe ich das Thema erst einmal ad acta gelegt, da wir Ende 2021 ganz andere Probleme hatten. Das Thema wurde bei einer Schulpflegschaftsversammlung noch einmal durch meine Frau auf die Tagesordnung gebracht. Auch dort wurde schon erwähnt, dass die Einrichtung von Fahrradsständern nicht so einfach wäre etc. Ich dachte mir nichts dabei.

Dann kam der Februar 2022, ich glaube wir alle wissen was dort passiert ist. Im Zuge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine schnellten die Treibstoffpreise in die Höhe, es wurde dazu aufgerufen weniger Treibstoff zu verbrauchen um Putins Kriegskasse nicht weiter zu füllen. Da kam mir wieder die Idee: mit dem Fahrrad zur Schule. Aber Moment, es gibt immer noch keine Fahrradständer!

Diesmal entschloss ich mich direkt der Stadt Gelsenkirchen zu schreiben. Ich versuchte es zuerst mit dem Schulamt. Nachdem der passenden Ansprechpartner gefunden war, war recht schnell klar, dass das Schulamt nicht zuständig war, sondern das Referat Schule. Die E-Mail wurde jedoch direkt an eine Person im Referat Schule weitergeleitet. Wen der Inhalt der Mail interessiert, findet Ihn hier:

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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich heute an Sie mit einer Frage aus dem Gebiet Schule / Verkehrswende.
Meine Tochter besucht die dritte Klasse der Grundschule.

Eigentlich würden wir für den täglichen Schulweg gerne das Fahrrad nutzen, einerseits aus Gründen des Umweltschutzes, andererseits kennen Sie ja auch die derzeitige Situation in welcher die Energiepreise förmlich explodieren.

Dies scheitert derzeit leider daran das die Schule über keinerlei Fahrradständer oder andere Unterbringungsmöglichkeiten für die Fahrräder der Schüler verfügt. Auch in der unmittelbaren Umgebung gibt es keine Möglichkeiten ein Rad sicher anzuschließen, außer vielleicht dem Zaun an der Schule was aber sicherlich auch nicht gewünscht ist.

Ich habe bereits letztes Jahr die Frage an die Schule gestellt ob es möglich wäre Fahrradständer einzurichten. Dies wurde mit versicherungstechnischen Gründen abgelehnt. Grundschulkinder sollten noch nicht mit dem Rad zur Schule kommen.
Aufgrund der Corona Pandemie habe ich mich damit nicht weiter beschäftigt, ich glaube aber das die aktuelle Situation ein umdenken erfordert.

Ich weiß nicht was für Versicherungsgründe dagegen sprechen. Es geht ja nicht darum das meine Tochter alleine zur Schule fährt. Diebstahl etc.
könnte man mit einem Hinweis vorbeugen das es sich um keinen überwachten Stellplatz handelt.

Es ist halt befremdlich das unserer Stadtpolitiker dauernd über die Verkehrswende etc. sprechen und wenn eine neue Radroute, Rad- Servicestation usw. eröffnet wird auch davor für Fotos posieren, solch einfache Maßnahmen wie Fahrradständer an Grundschulen, welche auch nur minimale kosten verursachen, einfach nicht umgesetzt werden.

Vielleicht übersehe ich hier als Außenstehender auch einen sehr wichtigen Punkt, aber mir wäre es wichtig zu erfahren wie das Schulamt über diese Thematik denkt.

Ich freue mich von Ihnen zu hören und verbleibe mit besten Grüßen
Björn Sengotta
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Dann passierte lange ersteinmal NICHTS.

Nach sechs(!) Monaten und etlichen Erinnerungs- Mails bekam ich endlich eine Antwort der Stadt Gelsenkirchen. Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher ob sich die Bearbeitung wirklich so lang hingezogen hat, oder ob man mir einfach nicht antworten wollte.

Das Antwortschreiben hat mir ein wenig die Sprache verschlagen. Wer den genauen Wortlaut lesen möchte findet hier eine Version des Schreibens, aus welcher ich persönliche Daten entfernt habe, um möglichen Problemen durch die Veröffentlichung vorzugreifen.
Für die Welche nur die Quintessenz des Schreibens interessiert, hier meine Zusammenfassung:
Da die Kinder erst in der vierten Klasse den erforderlichen Verkehrsunterricht erhalten möchte man, durch das Aufstellen von Fahrradständern, nicht den Eindruck erwecken, dass der Schulweg mit dem Fahrrad von der Stadt Gelsenkirchen akzeptiert oder unterstützt wird. Man möchte Kinder halt nicht dazu animieren mit dem Rad zur Schule zu fahren.

 

Im gleichen Atemzug wird erwähnt, das das „Elterntaxi“ keine Alternative darstelle.

In regelmäßigen Abständen sieht man Gelsenkirchener Lokalpolitiker in den Medien in die Kamera lächeln wenn eine weitere Rad Servicestation, neue öffentliche Fahrradständer oder eine neue Fahrbahnmarkierung eingeweiht wird. Augenscheinlich tut man viel für den Radverkehr in der Stadt. Auf der anderen Seite erschwert man es Eltern Ihre Kinder mit dem Fahrrad in die Grundschule zu bringen, offensichtlich weil es zu gefährlich ist. Da fragt mich sich natürlich, ob die Maßnahmen die in Gelsenkirchen bzgl. des Radverkehrs umgesetzt werden, die richtigen sind.

Wenn man sich ein bisschen mehr mit dem Thema Radverkehr für Kinder beschäftigt merkt man erst recht wie kurzsichtig diese Begründung ist und wie unterschiedlich dieses Thema in verschiedenen Städten behandelt wird. Dazu kurz folgende Fakten:
– In anderen Städten und Gemeinden gibt es sehr wohl Fahrradständer an Grundschulen, teilweise sogar an Kita’s wie mir etliche Arbeitskollegen und Social Media Kontakte mitgeteilt haben. Städte wie Dortmund veranstalten diesbezüglich in weiterführenden Schulen sogar Wettbewerbe: https://www1.wdr.de/fernsehen/lokalzeit/dortmund/videos/video-bike-to-school-100.html
– Kinder sind unabhängig vom Transportmittel auf dem Schulweg versichert. Das ist nicht anders als bei Arbeitnehmern und wurde mir vom ADFC bestätigt.
– Kinder benötigen keinerlei Schulung etc. um am Radverkehr teilzunehmen, das wurde mir vom ADFC sowie der Polizei bestätigt. Dieses Argument ist also klar vorgeschoben.

Es geht auch anders: Roller vor einer Grundschule angeschlossen.

Der wichtigste Aspekt ist meiner Meinung nach jedoch der folgende:
Kinder unter 8 Jahren müssen beim Radfahren den Gehweg benutzen, Kinder bis 10 Jahre dürfen es. Warum ist das wichtig? Die Stadt Gelsenkirchen empfiehlt in dem vorliegenden Schreiben den Schulweg zu Fuß oder per ÖPNV zurückzulegen. Meine Kinder würden also genau die gleiche Infrastruktur benutzen wie die Kinder die zu Fuß zur Grundschule kommen. Wenn dies für meine Kinder zu gefährlich ist, dann ist es das im Umkehrschluss auch für die Kinder die zu Fuß gehen.

Wohlgemerkt es geht immer noch darum das meine Kinder von einem Erwachsenen mit dem Rad zur Schule begleitet werden. Sie sollen diesen knapp zwei Kilometer langen Weg nicht alleine zurücklegen.

Ehrlich gesagt hat mich diese Antwort geärgert. Derzeit brennt uns die Welt unterm hintern Weg und die massiv Auto zentrierte Stadt Gelsenkirchen versagt meines Erachtens nach bei der Verkehrswende schon bei den Jüngsten. Das halte ich für inakzeptabel.

Ich habe mich daraufhin erst einmal mit der Ortsgruppe und dem Bundesverband des ADFC in Verbindung gesetzt. Der ADFC hat einen sehr interessanten Leitfaden bzgl. des Themas veröffentlicht: https://www.adfc.de/artikel/mit-dem-rad-zur-grundschule
Ich erhielt viele wertvolle Hinweise und Unterstützung jedoch auch die Aussage das die Stadt Gelsenkirchen nicht verpflichtet ist etwas an der Situation zu ändern.

Das „Eltertaxi“ und die Medien

Zufällig erschien in der WAZ am 30.09.22 ein Artikel unter dem Titel: Ohne Autos geht’s in Gelsenkirchen nicht? Ausprobieren! Dieser sehr lesenswerte Artikel beschäftigte sich unter anderem mit dem „Masterplan Mobilität“ den die Stadt Gelsenkirchen hat erstellen lassen.
Ich nahm dies zum Anlass der Redaktion einen Kommentar von mir zukommen zu lassen, welcher im Endeffekt zu folgendem Artikel führte:
https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/aufs-elterntaxi-verzichten-gelsenkirchener-geht-nicht-id236696905.html
Ja, hier liegt der Fokus eher auf dem zurecht so verpöhnten Elterntaxi, welches ich eher unfreiwillig nutze. Und wie wir ja schon wissen findet die Stadt Gelsenkirchen es auch gar nicht gut wenn die Schüler mit dem Auto zur Schule gebracht werden. Es ist schlecht für die Umwelt, die Kinder lernen keine Selbstständigkeit, bewegen sich weniger und es kostet natürlich auch Geld.

Ich möchte hier noch erwähnen, dass ich selber aufgrund meines Berufes einen Firmenwagen habe, welchen ich auch privat nutzen darf. Bis auf den geldwerten Vorteil entstehen mir keine Kosten wenn ich, Zeit vorrausgesetz, meine Kinder mit dem Auto zur Schule bringe. Da ich aber meinen Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen möchte, versuche ich aber so oft wie möglich auf das Auto zu verzichten.

Des weiteren, sorgt das „Elterntaxi“ regelmäßig für kritische Situationen vor der Schule. Ich parke immer in einer Nebenstrasse und bringe meine Kinder die letzten Meter zu Fuß. Das sehen leider viele Eltern komplett anders. Das folgende Bild (Kennzeichen und Personen unkenntlich gemacht) zeigt einen durchschnittlichen Morgen vor unserer Schule. Bei Regen etc. ist dies noch viel schlimmer. Autos fahren oder rasen teilweise durch die Strasse, welche regelmäßig von Kindern und Eltern gequert wird. Ich möchte übrigens erwähnen, dass alle Autos bis zum Schulbus am Ende im absoluten Halteverbot stehen. Allein es interessiert keinen. Die Stoßzeiten sind bekannt, es wäre recht einfach für das Ordnungsamt hier Ordnung zu schaffen. Regelmäßige Kontrollen würden helfen, meiner Erfahrung nach passieren diese nicht oder nur sporadisch.

Die Reaktionen auf den Artikel
Von einigen Reaktionen auf den Artikel war ich überrascht.
Die Grünen schalteten am nächsten Morgen direkt eine Pressemitteilung auf Ihrer Website: https://gruenege.de/bereich/fraktion-bereich/gruene-blockade-der-stadt-gegen-verkehrswende/

Die FDP setzte sich direkt mit mir in Verbindung und möchte dieses Thema nun im Rat der Stadt zur Sprache bringen sowie einen Haushaltsvorschlag machen.

Die CDU in Person von Fraktions- und -Parteichef Sascha Kurth sieht kein Problem. Er sei früher auch mit dem Rad zur Schule gefahren (ob Grund- oder Weiterführende Schule erwähnt er leider nicht) und hat sein Rad immer am Zaun abgeschlossen. Ich weiss jetzt nicht wie alt Herr Kurth ist jedoch wird er auch nicht jünger als ich sein, und die Verkehrslandschaft hat sich in 30 Jahren nun mal verändert. Verkehrspolitik war halt noch nie eine Spezialität der CDU. https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/elterntaxi-zwang-cdu-gelsenkirchen-sieht-kein-problem-id236750907.html

Es gab natürlich auch auf Facebook Reaktionen auf diesen Artikel. Wie von diesem „sozialen“ Netzwerk, welchem ich vor etlichen Jahren den Rücken kehrte, nicht anders zu erwarten war, war der ein oder andere unschmeichelhafte Kommentar dabei. Ich weiss es nur vom hörensagen, aber es waren wohl Sachen wie „Helikoptereltern“, „früher sind wir auch 2km zur Schule gelaufen“, „Nehmt den ÖPNV“ oder „Du kannst nicht Rechnen. Die Kosten für den ÖPNV stimmen nicht“.

Man mag es kaum glauben aber ich habe mir sehr wohl über die Alternativen zum „Elterntaxi“ Gedanken gemacht und als diplomierter Ingenieur kann ich auch rechnen. Danke an die Trolle, sucht euch ein Leben.

Schauen wir uns die Alternativen an

Die favorisierten Alternativen der Stadt Gelsenkirchen sind der Schulweg zu Fuß oder per ÖPNV. Beleuchten wir beides seperat.

Schulweg zu Fuß
Früher war das ja auch möglich hört man da häufig. Die Leute die das behaupten deren Grundschulzeit liegt teilweise 40 Jahre und mehr zurück. Also erkläre ich mal warum das ein Problem ist.
Zuerst einmal ist die Schule meiner Kinder gute zwei Kilometer entfernt. Das bedeutet das der Weg mit den Kindern gute 30-35 min dauert, wenn keiner trödelt. Heißt auch, dass man früher aus dem Haus muss. Jeder der Kinder hat weiss wie der Morgen mit Kindern abläuft. Leute ohne Kinder sollten sich Kommentare dazu sparen.
Das es einen Hinweg gibt heisst aber auch das die begleitende Person diesen Weg auch wieder zurückgehen muss. Für berufstätige wohl unmöglich für Leute mit Homeoffice, Hausfrauen bzw. Hausmänner zumindest unbequem. Wenn man nur ein Kind hat mag das gehen, hat man mehrere die zu unterschiedlichen Zeiten zur Schule gebracht und abgeholt werden müssen, wird das unmöglich.
Alleine kann man die Kinder aber auch nicht gehen lassen. Der Schulweg ist gepflastert mit schwer einsehbaren Kreuzungen. Warum sind diese schwer einsehbar? Weil sie vollgeparkt sind und keiner was dagegen tut. Wie schon erwähnt es ist die gleiche Infrastruktur die die Kinder auch auf dem Rad nutzen würden.

Dann kommt wahrscheinlich auf Social Media der Kommentar: Dann such dir doch eine Schule die näher an eurem Wohnort ist. Wenn ich die Schule meiner Kinder ausschließlich danach aussuche, ob Sie für mich verkehrstechnisch günstig gelegen ist, dann mache ich grundsätzlich etwas falsch. Ja es gibt bei uns Grundschulen die näher an unserem Wohnort liegen. Und genau diese Schulen waren entweder in den letzten Jahren in der Presse, weil das Kollegium dort unzufrieden war oder es wurde von anderen Eltern abgeraten unsere Kinder auf Schule XY zu schicken.
Wir möchten das Beste für unsere Kinder! Darüber wird nicht debattiert. Schulpolitik in Gelsenkirchen ist aber eine ganz andere Baustelle.

Schon mal was von ÖPNV gehört?
Ja sicher! Das ist während einer Pandemie auch eine tolle Idee. Für alle die es noch nicht mitbekommen haben: Covid19 gibt es immer noch! Die Inzidenzen sind hoch. Täglich sterben noch Leute daran, und die Disziplin bei der Maskenpflicht ist im ÖPNV grandios schlecht. Das sage ich aus eigener Erfahrung.
Dazu kommen die Kosten. Im WAZ Artikel waren diese mit 120€ angegeben. Ich gebe zu, das war grob überschlagen. In Wirklichkeit kommt es noch schlimmer.
Es stimmt wenn ich nur die Kosten für die Kinder heranziehe dann sind es „nur“ 95€ pro Monat. Darin ist drei mal das Schokoticket zu 38€ enthalten, wobei das dritte dann um 50% rabattiert wird. Aber wer würde seine Erstklässler in Gelsenkirchen alleine mit dem Bus fahren lassen, wo man regelmäßig davon liest das Jugendliche in Gelsenkirchen ausgeraubt oder zusammengeschlagen werden. Zu den 95€ für die Kinder kommt also noch der Ticketpreis für eine Aufsichtsperson, für diese kostet das Ticket 1000 in der günstigen Abo Version 67,91€ (Stand Oktober 2022).

Wir kommen im ÖPNV also auf Kosten von 162,91€ pro Monat. Und nein, Zuschüsse gibt es in unserem Fall nicht.
Wie gesagt ich habe das Glück einen Dienstwagen zu haben, aber diesen könnte ich für 160€ anderthalb mal pro Monat volltanken und ca. 1500km zurücklegen. Damit können dann fünf Personen befödert werdeb und ich bin weder im Radius und in der Wahl des Ziels eingeschränkt.

Man sieht, bei genauer Betrachtung ist beides keine Alternative. Das Rad wäre Ideal. Es ist sowieso vorhanden und die laufenden Kosten sind minimal. Der Schulweg ist genauso sicher/gefährlich wie zu Fuß. Nur an einer Möglichkeit das Fahrrad vor Diebstahl geschützt anzuschließen mangelt es.

Wie geht es weiter mit dem Radverkehr in Gelsenkirchen?

Ich weiss, dieser Text ist schon viel zu lang und 99% haben bis hier hin sicher nicht gelesen. Aber stellen wir uns doch einmal die Frage, wie es mit dem Radverkehr in Gelsenkirchen nun weiter gehen soll. Scheinbar besteht dort ja ein Problem. Sonst würde die Stadt Gelsenkirchen nicht zu dem Schluss kommen, dass das Radfahren für Kinder in Gelsenkirchen zu gefährlich ist.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass Radfahren in Gelsenkirchen nur an Touristischen Routen wie der Erzbahntrasse oder überregionalen Projekten wie dem RS1 Spaß macht. Diese Radwege bringen mir innerhalb von Gelsenkirchen aber nichts. Hier muss ich mir vielerorts den Platz mit den Autos teilen. Die Maßnahmen beschränken sich darauf nur noch mehr Striche auf die Strasse zu malen. Viele der ggf. sogar recht aggressiv auftretenden Autofahrer in Gelsenkirchen interessieren diese Striche jedoch nicht. Man wird viel zu oft ohne Sicherheitsabstand überholt etc. Wirklicher Mut dem Auto Raum wegzunehmen und dem Rad- und Fußgängerverkehr zu überlassen ist bei der Stadt Gelsenkirchen nicht zu beobachten.
Es scheitert schon bei neuen Projekten. Sehen wir uns die Europastrasse / Brüsseler Strasse in Gelsenkirchen an. Eine neue Strasse vom Reißbrett wo vorher so gut wie nichts war. Gibt es einen von KfZ- oder Fußgangerverkehr abgetrennten Fahrradweg? Nein! Die Radfahrer teilen sich den Platz mit den Fußgängern. Farbliche Markierungen auf dem Gehsteig? Fehlanzeige! Genug Platz so das Kinderwagen und Fahrrad nebeneinander passen! Fehlanzeige! Natürlich jetzt kann man sagen: das ist ja auch ein Gewerbegebiet. Aber hier wäre die Möglichkeit gewesen es richtig zu machen. Diese wurde verpasst.

Warum werden bestehende Strasse nicht in Fahradstrassen umgewandelt. Seit mehr als einem Jahr wird an der Wanner Strasse zwischen der Hohenstauffenallee und der Hochofenstrasse gebaut. Die KfZ müssen über parallele Routen ausweichen. Das funktioniert scheinbar, warum also die Wanner Strasse dort nicht beruhigen und den Fußgängern und Radfahrern überlassen? Paralle verlaufenden Strassen gibt es in Gelsenkirchen genug.

Ein negativ Beispiel ist für mich die eingerichtete Nord / Süd Route in Gelsenkirchen. Unter folgendem Link kann man sich diese ansehen: https://www.gelsenkirchen.de/de/Infrastruktur/Verkehr/Radverkehr/Von_City_nach_Buer_und_Retour.aspx
Während Autofahrer auf einer der fahrradunfreundlichsten Strassen in Gelsenkirchen, der vierspurigen Karl-Schumacher-Strasse, auf direktem Wege geführt werden muss der Radfahrer massive Umwege fahren. Wenn ich nur zum Spass mit dem Rad fahre mag das ganz nett sein, aber wir reden hier von der Verkehrswende. Leute sollen mit dem Rad etc. Ihren Arbeitsplatz auf dem schnellsten Weg erreichen. Konsequent wäre gewese dem KfZ auf der Kurt-Schumacher-Strasse Platz wegzunehmen und dem Fahrrad zu überlassen, als räumlich getrennten Fahrradspur. Nur fehlt der Mut, oder das Geld, oder der Wille.

Projekte wie in Kopenhagen oder den Niederlanden haben gezeigt: Die Verkehrwende funtioniert nur wenn der Radverkehr attraktiv gemacht wird und den Individualverkehr per KfZ verdrängt. Ein nebeneinander ist nur zum Nachteil des Rad- und Fußgängerverkehrs. Ja dafür braucht es Mut, sich gegen die Autolobby zu stellen und nicht auf dieses Henne/Ei Problem hineinzufallen: Warum Radwege bauen, diese werden dann zu wenig benutzt. Und warum ist das so? Weil die Leute Angst haben und weil Radfahren in Gelsenkirchen einfach keinen Spass macht.

by Kristoffer Trolle / https://www.kristoffertrolle.com/

Um diesem Problem zu begegnen hat die Stadt Gelsenkirchen einen Masterplan Mobilität erstellen lassen. Man merkt, dass er von einem externen Büro erstellt wurde, denn die Probleme die sich beim Radverkehr in Gelsenkirchen ergeben sind sehr umfassend und schonungslos erfasst. Wer sich das Dokument selber einmal durchlesen möchte kann es sich auf der Seite der Stadt Gelsenkirchen herunterladen: https://www.gelsenkirchen.de/de/stadtprofil/stadtthemen/mobilitaet_und_klima/Zukunft_Mobilitaet/_doc/20220510_Masterplan_Mobilit_t_Mitteilungsvorlage_AVM_02.06.2022_Ma_nahmenkonzept_Anlage_1.pdf

Ich muss leider sagen das auch dieser Plan mir nicht mutig genug ist das Thema Umverteilung des Verkehrsraumes betreffend, aber es ist ein Anfang.

Ein weiteres Thema welches mir bei meinen Recherchen untergekommen ist, bzw. auf welches ich vom ADFC gestoßen wurde ist, dass die Stadt Gelsenkirchen im Gegensatz zu allen anderen umliegenden Städten und Gemeinden kein Mitgied in der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (kurz AGFS) ist. Scheinbar wird seit 2018 (nach Rats Unterlagen) eine Mitgliedschaft vorbereitet, bis dato ist Gelsenkirchen aber noch kein Mitglied.

Welchen unterschied das machen kann sieht man, meiner Meinung nach, sehr gut an der Stadt Gladbeck. Diese ist bereits seit 1993 Mitglied und aus persönlicher Erfahrung kann ich dieser Stadt eine gute Rad Infrastruktur attestieren.
Wer gerne den grauen Fleck sehen möchte den die Stadt Gelsenkirchen in der Mitgliederübersicht des AGFS darstellt, kann sich gerne deren Karte dazu ansehen:
https://www.agfs-nrw.de/agfs-partner/unsere-mitglieder
Mich erinnert das doch ein wenig an Asterix und Obelix.

Übrigens noch ein letzter Fakt dazu was andere Städte besser machen: Die Stadt Essen und der Kreis Recklinghausen fördern großzügig den Kauf von privaten Lastenfahrrädern, mit denen man unter anderem auch die Kinder zur Schule bringen könnte. Die Stadt Gelsenkirchen tut dies nicht. Für viele wäre es aber sowieso keine Alternative da solch ein Rad selbst abzüglich der Förderung noch gut 2000€ kostet. Sicher zu viel für den durchschnittlichen Gelsenkirchener.

Schlusswort
Ich bin gespannt wie das Thema mit den Fahrradständern an der Grundschule weiter geht. Meine Tochter wechselt nächstes Jahr an die weiterführende Schule. Diese liegt wahrscheinlich viel näher als Ihre Grundschule. Aber vielleicht habe ich ja noch die Möglichkeit meine anderen beiden Kindern mit dem Rad zur Grundschule zu bringen.

Vielleicht kommen wir in Gelsenkirchen ja auch irgendwann mal an den Punkt wo das innerstädtische Fahrrad fahren so viel Spass macht wie auf der Erzbahntrasse etc. dazu muss aber noch viel passieren. Allein schon damit die Verkehrswende nicht zu einer reinen Antriebswende verkommt.

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