Das erste mal E-Auto – Unser Wochenende mit dem BYD Atto 3

Ich wollte schon immer mal ein E-Auto fahren, hatte bisher aber nicht die Gelegenheit dazu. Das liegt vor allem an zwei Dingen. Erstens fahre ich seit etlichen Jahren Dienstwagen die mir zur privaten Nutzung überlassen sind, und dann ist da noch die Sache das wir drei Kinder haben. Es war schon früher schwierig Autos zu finden die es ermöglichen drei Kindersitze in der zweiten Reihe unterzubringen, wenn es nicht gleich ein VW Bus sein soll.

In der Klasse der E-Autos, und damit meine ich reine Elektroautos nicht so einen überkomplexen Hybrid-Quatsch, sieht es dafür ganz düster aus. Das Clientel für diese Autos hat in der Regel wohl keine Kinder oder nicht mehr als die zwei Standardkinder, klar sonst könnten Sie sich diese Autos auch gar nicht leisten.

Aber ich schweife ab. Es begab sich also das wir zu einer Familienfeier in der nähe von Frankfurt eingeladen waren. Die Strecke dort hin beträgt ca. 280km. Unsere große braucht keinen Kindersitz mehr und ich wollt ein Spielzeug fürs Wochenende. Also kam ich auf die Idee mir ein E-Auto zu mieten, recht kurzfristig, um mal zu sehen wie das heute so ist. Vom Auto an sich, sowie vom Laden etc. Klar man hätte auch einen Probefahrt bei einem Händler vereinbaren können. Aber was für einen Informationsgehalt hat eine 50km Rundfahrt in einem E-Auto ohne laden zu müssen etc.

Also mietete ich kurzerhand ein E-Auto für das Wochenende. Da es recht kurzfristig war, war die Auswahl auch nicht sehr groß. Ich konnte einen BYD Atto 3 oder ähnlich (das wäre dann wohl ein Cupra Born gewesen) bei Sixt mieten. Da habe ich dann zugeschlagen.

Das Auto

Ich werde jetzt hier keinen umfassenden Test zu unserem Gefährt schreiben, die gibt es schon vom ADAC und zahlreichen Youtubern, die aber wohl so manche Sache ein bisschen schöngefärbt haben. Es wurde also der BYD Atto 3 und nicht „oder ähnlich“ und ich durfte mit Erleichterung feststellen das chinesische Autos in den Jahren, nach dem Brilliance Crashtest, wesentlich besser geworden sind.

Ich bin ganz ehrlich, von der Verarbeitung und der Materialanmutung war ich wirklich sehr positiv überrascht. Die Spaltmaße stimmen sogar, ich schaue da vor allem in Richtung Tesla. Nichts knarzt, quietscht etc. Okay beiden Wagen (ja zwei, dazu später mehr) hatten auch noch keine 10.000km auf dem Tacho. Ich kann also nicht sagen wie das langfristig aussieht. Aber die Wagen stehen europäischen Herstellern soweit in nichts nach. Das Design aussen wie innen ist gefällig und einfallsreich. Das Panorama Dach hat vor allem den Kindern super gefallen so Sachen wie das drahtlos Laden von Handys in der Mittelkonsole ist ein tolles Feature, wäre mit wireless Carplay aber noch besser gekommen. Der Monitor in der Mitte des Armaturenbrettes ist riesig und lässt sich per Knopfruck vom Lenkrad aus elektrisch drehen. Keine Ahnung wofür das gut sein soll. Abends gibt es schönes Ambientlight im Auto. Alles Features die sich andere Hersteller gut bezahlen lassen. Hier sind sie Serie.

Die Motorleistung reicht aus um auch mal schnell einen kurzen Sprint zum überholen einzulegen etc. Aber gut der Wagen kostet auch ca. 40.000€, ein billiges Schnäppchen aus Fernost ist er also auch nicht.

Aber wo Licht ist da ist auch Schatten, kein Auto ist perfekt. Da der Wagen aber schon mal mechanisch in Ordnung zu sein scheint, werden sich viele meiner Kritikpunkte wahrscheinlich über Software Updates regeln lassen.

Der erste Kritikpunkt: beide Wagen die wir hatten waren nicht auf deutsch lokalisiert. Es standen einige Sprachen zur Auswahl unter anderem Norwegisch etc. Deutsch leider nicht. Für mich war das jetzt kein Problem aber doch schon ungewöhnlich für ein Fahrzeug welches man auch in Deutschland erwerben kann. Keine Ahnung ob Sixt hier irgendwelche Wagen vor dem offiziellen Marktstart bekommen hat, aber an diesem Wochenende lag zumindest kein Update vor welches die deutsche Sprache nachgerüstet hätte. Dazu passt auch das das 230V Notfallladekabel mit einem billigen Adapter von britischen Steckdosen auf Schukosteckdose kommt. .

Dann ist da die Steuerung vom Abblendlicht. Fährt man unter einer Brücke her schaltet der BYD innerhalb von 2-3 sek auf Nachtmodus: Abblendlicht an, Monitore (sowohl Tacho wie auch den mittleren Monitor) dunkel, und ich meine richtig dunkel. Bei Tageslicht oder Dämmerung ist dann nichts zu erkennen. Mit dem umschalten von Nacht zu Tag lässt sich der Wagen dann aber immer ca. 10sek Zeit. Begleitet wird das ganze von einem hörbaren Relais- Klacken.

Ab und an gibt der Wagen Hinweistöne von sich ohne das man weiß was diese bedeutet sollen. Kommen diese nun jedes mal wenn wir wieder 100km weniger Reichweite drauf haben? Will uns eines der Assistenzsysteme etwas mitteilen? Ich weiß es bis heute nicht.

Der Zweite Wagen hatte ein massives Problem mit den Reifendrucksensoren. Diese sind regelmäßig nach ca. 15min alle ausgefallen.

Schade ist das der der Wagen per DC nur mit 88kW geladen werden kann. Die meisten DC Ladesäulen könnten 150kW liefern. Somit dauert das Aufladen halt unnötig lange.

Alles Sachen die nerven aber wie gesagt das meiste kann sicher per OTA Update behoben werden.

Die Vorbereitung

Genau: Vorbereitung. Ich bin noch nie so gereist und mir war klar das die Dichte an Ladestationen nicht so hoch ist wie die an Tankstellen. Also habe ich mir mal ein paar Meinungen zu Ladekarten etc. eingeholt. Von Sixt habe ich eine physische Shell Recharge Karte mitbekommen, das war auch gut so, zusätzlich habe ich mir die Maingau App geladen da dort der Strom um 15-20ct pro kWh günstiger ist. Auch die Ladefuchs App kann ich empfehlen. Damit ging es dann auch auf die Reise. Ich wusste das der Wagen 420km nach WLTP schaffen soll, natürlich nicht wie in unserem Fall bei fast 100% Autobahn. Das Wetter war mild, super Vorraussetzungen. Nicht wie im tiefsten Winter wo der Akku schon vorher schlapp macht. Ich habe mir beide potentiellen Strecken vorher genauer angeschaut und einen Zwischenstopp eingerechnet. Die A3 ist sehr gut mit Ladestationen ausgebaut (vorallem DC Ladern), die A45 weniger. Ich weiss aber vorher nie wirklich wo das Navi uns herleitet. Beide Strecken sind sehr stauanfällig, aber wir sind ja vorbereitet.

Die Fahrt

Freitag Mittag ging es los. Alle drei Kinder und das Gepäck fürs Wochenende eingepackt und los gehts. Hat zwar alles gepasst aber viel mehr hätte es auch nicht sein dürfen. Na gut wir fahren hier sonst mit einem Ford Galaxy, der ist vom Platzangebot eine ganz andere Hausnummer. Aber sowas wird ja scheinbar nicht mehr gebraucht, wenn man die Modellpaletten der Hersteller ansieht.

Aufgrund eines großen Staus auf der A3 leitete uns das Navi über die A45. Klar bei Lüdenscheid müssen wir die Rahmedetalbrücke umfahren etc. Die Fahrt verläuft eigentlich unspektakulär. Da der Wagen ja quasi ein Automatikwagen ist, ist es für mich zwar ein wenig ungewohnt aber aufgrund des vielen Stop&Go auf der Umfahrung sehr entspannend. Der Wagen ist nur lauter im Innenraum als erwartet. Scheinbar machen Reifen, Windgeräusche etc. viel mehr aus als gedacht. Leiser als im Ford Galaxy ist es im Innenraum nicht. Dank Carplay läuft im Innenraum der letzte Teil der „Geheimen Drachenschule“ aber das ist im Galaxy auch nicht anders.

Der erste Stopp steht bei Herborn an. Der Akku Anzeige nach sollte es über die volle Distanz reichen, naja sicher bin ich mir da wegen den 100% Autobahnanteil nicht und am McDonalds gibt es einen Schnelllader von EWE. Super dachte ich mir: nimmste die Maingau App da ist das Laden gute 20ct pro kWh billiger. Pustekuchen! Trotz Anzeige in der App lässt sich der Ladepunkt nicht darüber freischalten. Scheinbar hat die Säule gerade kein Internet oder so. Also die Shell Karte gezückt und damit den Ladevorgang gestartet. Bei einer Tankstelle hätte man sowas nicht hingenommen. Ich meine es wird schließlich der gleiche Strom in den Akku gepumpt. Na gut, Auto lädt, rein in den McDonalds. Als wir da nach einer halben Stunde wieder raus kommen hat der Wagen wieder über 90% Akku. Also weiter.

Der Rest der Fahrt läuft ähnlich ereignislos, ausser das ich kurz vor dem Ziel feststelle das ein Reifen Luft verliert. Sicherlich passiert das an einem Wochenende und dazu noch mit einem Mietwagen. Naja bei diesem Atto 3 haben wenigstens die Reifendrucksensoren funktioniert.

Eigentlich hatte ich am nächsten Tag geplant mit der Family irgendwo in der nähe ein Eis essen zu fahren wo der Atto 3 über so ca. 2Std gemächlich an einer 22kWh Ladesäule  seine Akku aufladen kann, oder eben zur einzigen DC Ladesäule in ca. 20km Umland bei einem Aldi zu fahren um Ihn schnell aufzuladen.

Daraus wurde leider nix. Der Reifen war am nächsten Morgen platt, es hieß also: Reifen befüllen, irgendwo einen Reifenhändler in der Region finden der, am Samstag morgen in der Wechselsaison, Zeit für mich hat und guckt ob der Reifen geflickt werden kann. Konnte er nicht, der Wagen musste also getauscht werden. Also bin ich zur nächsten Sixt Station in Frankfurt gehumpelt um den Tausch durchzuführen. Das ganze hat ca. 4 Stunden gefressen aber danach hatte ich quasi einen identischen Atto 3 bloss mit einer Macke bei der Reifendruckkontrolle, aber mit 100% Akkuladung.

Am Sonntag ging es dann zurück, wieder über die A45, alles ganz entspannt, vor der Abfahrt auf die Umgehung bei Lüdenscheid wollte ich aber noch aufladen. Leider waren die fetten Schnellader an der Raststätte belegt, 50kWh waren das höchste der Gefühle. Kabel angeschlossen und das Teil fängt sofort an zu laden, keine Frage nach der Karte etc. Okay dachte ich mir, kommt dann am Ende. Das Teil war schon eine recht abgeranzte EnBW Ladestation. Aber auch nach Beendigung des Ladevorganges keine Frage nach einer Zahlungsmöglichkeit. Na gut damit mir keiner nen Strick draus dreht „Kraftstoff“ geklaut zu haben in der Autofahrer Nation Deutschland eben beim Service angerufen. Es stellte sich heraus das die Station kein Internet hat (Neuland und so) und deshalb wohl auf freiladen geschaltet war. Einfach Glück gehabt. Der Rest der Fahrt war wieder unspektakulär.

Das Fazit

Was sage ich also nach einem Wochenende mit dem BYD Atto 3? Dem ersten mal im E-Auto.

Soweit hat alles geklappt, aber man muss sich wirklich umgewöhnen. Die Infrastruktur vor allem an DC Schnellladern, und nichts anderes macht an Autobahnen Sinn, ist noch sehr dürftig. Auch das die Säulen oft kein Internet haben ist ärgerlich. Ich meine, hätte ich länger ein E-Auto hätte ich auch mehrere physische Karten zum laden im Auto. Auch das die kosten vom Laden davon abhängen welchen Anbieter man nutzt, es vollkommen intransparent ist zu welchen Konditionen man an den Säulen laden kann, ist dämlich.

Auch das der Strom der in den Akku an diesen Säulen kommt locker mal mehr als das doppelte des normalen Haushaltsstromes kostet ist ärgerlich. Meiner Meinung nach macht es derzeit absolut keinen Sinn sich ein E-Auto anzuschaffen wenn man keine PV auf dem eigenen Hausdach hat.

Der BYD Atto 3 war an sich ein schönes Auto, mit ein paar Kinderkrankheiten. Würde ich meinen Galaxy für so ein Auto derzeit eintauschen? Nein!

Ökologisch macht es gar keinen Sinn wenn ich mir ansehe wie viel Energie in die Herstellung eines Akkus geht. Von den Kosten her macht es auch keinen großen unterschied wenn ich ständig an überteuerten öffentlichen Ladesäulen laden muss.

Ich war nach dem Wochenende übrigens noch in einem Volkswagen Autohaus um mir mal ID.4 & Co. anzuschauen und ich muss ganz ehrlich sagen, ich war erschrocken wie billig diese teuren E-Autos im Innenraum wirken wenn man einmal das Interieur des Atto 3 erlebt hat. Den chinesischen Markt für E-Autos haben die Deutschen Hersteller wohl schon verloren, Sie müssen wohl aufpassen das dies nicht auf in Ihrer Heimat passiert.

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